Sarah Doerfel
Künstlerin

Sarah Doerfel zeigt in N U R T U R Æ L ihre neue Arbeit „TRUCE“(2022)

Digitales Video, 15' 51"
Ein Film von Sarah Doerfel
Sound Design: Vincent Scheers und Sarah Doerfel

Menschen und medizinische Blutegel leben in einem komplexen Verhältnis. Die Grenzen zwischen einseitigem und beidseitigem Nutzen sind fließend. Nur auf den ersten Blick ist der parasitäre Part einfach zu identifizieren. Seit Jahrtausenden zur Heilung verwendet, sind die Würmer heute als nicht-steriles Arzneimittel im Gebrauch und v. a. In der rekonstruktiven Chirurgie unersetzlich. Der saugende Egel kann dem Menschen aber auch Schaden zufügen, wenn er ihn unbemerkt besiedelt. Die Würmer müssen in Westeuropa in Farmen gezüchtet oder importiert werden, da sie wegen ihrer Heilwirkung überfischt und schließlich ausgerottet wurden. Nach einer medizinischen Anwendung ist es gängige Praxis, die Egel zu töten. TRUCE zeigt den Zuchtalltag in Europas größter Blutegelfarm und zeigt Ryūki mit seinen privaten Haustieregeln. Ryūki gründete die Initiative “Leechylove”, die sich für eine artgerechte Haltung nach medizinischer Anwendung einsetzt. Seine Egel ernähren sich von seinem Blut und lindern dabei seine chronischen Schmerzen. Die artübergreifende Hausgemeinschaft lebt seit Jahren in einem engen körperlichen Abhängigkeitsverhältnis, das Ryūki als Symbiose bezeichnet.

Sarah Doerfels Arbeiten erzählen Geschichten vom gemeinsamen Leben und Sterben verschiedener Spezies, insbesondere im Hinblick auf das dynamische Spannungsverhältnis von Symbiose und Parasitismus. Die gegenseitige unumgängliche Abhängigkeit der ErdbewohnerInnen voneinander eröffnet ein weites Feld für spekulative Verhältnisse. Interaktionen von Individuen werden dabei auf ihre (mikro-)biologischen, medizinhistorischen oder kulturwissenschaftlichen Hintergründe untersucht. Resultierende Narrationen materialisieren sich in Videoarbeiten, Skulpturen und Installationen, oft von Text oder Sound begleitet und ortsspezifisch präsentiert.Die Künstlerin studierte Freie Kunst bei Prof. Olaf Nicolai an der AdbK München und Fotografie an der University of Westminster, London. Ihre Arbeiten wurden im In- und Ausland gezeigt, u.a. im Museum Hamburger Bahnhof/ Berlin, im Macro Museo/ Rom oder im Kunstverein München. Sie erhielt u.a. Stipendien der Stiftung Kunstfonds und der LfA Förderbank Bayern.