im/possible materials

 

hintergrund
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The BLOB of im/possible images moving into Lothringer 13 Halle, Rosa Menkman 2021

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Basemap of Lothringer 13 Halle with different axes

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White axis: all possible images

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Red axis: low fidelity images

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Green axis: images based on speculation, dis/belief or imagination

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Blue axis: chronologies of im/possibility

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Yellow axis: new complexities and humanly un/readable images

Ein Projekt von Rosa Menkman mit Arbeiten von Memo Akten, Peter Edwards, Sasha Engelmann & Sophie Dyer, Fabian Heller, Rosa Menkman, Susan Schuppli, UCNV, Alan Warburton u.a.

Die Ausstellung im/possible images
Ein Überblick mit Links zu Künstler*innen, Arbeiten und Materialien

Am Eingang der Lothringer 13 Halle bot ein Computer Zugang zur digitalen Version der Ausstellung mit dem Titel: the BLOB of im/possibe images, entwickelt zu Beginn der Pandemie 2020, als es keine Möglichkeit gab, Bilder in physischen Räumen zu teilen. Der BLOB beherbergt eine virtuelle Sammlung un/möglicher Bilder, die Rosa Menkman während ihres Aufenthalts am CERN, während sie das Arts at CERN/Collide-Barcelona-Stipendium innehatte. Dort stellte sie jedem*r Wissenschaftler*in die gleiche Frage: 

Imagine you could obtain an 'impossible' image, of any object or phenomenon that you think is important, with no limits to spatial, temporal, energy, signal/noise or cost resolutions, what image would you create?

Der BLOB diente als virtuelle Heimat für die Sammlung un/möglicher Bilder, die aus dieser Frage hervorging. Im Sommer 2021 wurde die Sammlung in der Lothringer 13 und mit der Ausstellung im/possible images auch physisch zugänglich.

Aus der analogen Fotografie kennen wir den latenten Bildraum als Zustand, inn dem lichtempfindliches Material belichtet wurde, aber (noch) nicht den Entwicklungsprozess durchlaufen hat. Es ist der Raum, der vom Licht berührt wurde, aber noch keine Spuren (in Form eines Bildes) aufweist. Die Ausstellung im/possible images verwendet den Begriff des latenten Bildes als ein erweitertes Konzept und hypothetischen Raum, der alle vorstellbaren und unvorstellbaren Bilder umfasst, die jemals dargestellt werden könnten. Eine Hauptprämisse von im/possible images ist, dass ein einmal gewählter Rendering-Parameter wie ein metaphorischer Schnitt durch den Raum des latenten Bildes wirkt und ihn in mögliche und unmöglich gewordene Bilder aufteilt. Jedes Rendering verwirklicht also bestimmte Bilder, während sie andere ausschließt.
Im Lothringer werden diese Parameter oder Achsen als architektonische Elemente materialisiert, die den Raum buchstäblich durchschneiden und fünf Kategorien von Unmöglichkeit einführen.
Sie werden dem Publikum als Landkarte angeboten, auf der es sich bewegen kann, als Achsen, die den Raum der un/möglichen Bilder schneiden:

weiße Achse
all possible images
alle möglichen Bilder

Die Achse aller möglichen Bilder dient nicht wirklich als Achse, sondern vielmehr als Eingang in den hypothetischen, latenten Bildraum der Lothringer 13 Halle, der alle denkbaren und nicht darstellbaren Bildern enthält.

Arbeit:
Fabian Heller, Alle möglichen Bilder [True Color, Full HD], Druck auf PVC, 18x2 Meter, 2021.

In seiner Arbeit All Possible Images [True Color, Full HD] versucht Fabian Heller alle möglichen Bilder zu berechnen, die auf einem Standard- Display gezeigt werden können, und sie als Zahl anschaulich zu machen. Sobald die Spezifikationen der Hardware, auf der ein digitales Bild angezeigt wird, bekannt sind, kann die Anzahl aller möglichen gerenderten Bilder berechnet werden. So setzt sich ein Display mit der
Stan dardauflösung von 1920 x 1080 [Full HD] und einem 24-Bit-RGB- Farbraum [True Color] aus 2.073.600 Pixeln zusammen, von denen jedes Pixel eine von 16.581.375 Farben annehmen kann. Durch eine einfache Potenzierung dieser beiden Zahlen können alle auf diesem Display dar- stellbaren Bilder berechnet werden. Das Ergebnis ist eine Zahl mit 14.970.606 Stellen: 16.581.3752073600. Eine Zahl, die so groß ist, dass sie in ihrer Gesamtheit auf keinem Bildschirm mit einer derzeit verfügbaren Auflösung darstellbar ist.

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rote Achse
low fidelity images
Bilder mit geringer Wiedergabetreue

Manchmal werden die Parameter, mit denen das Bild ursprünglich erstellt wurde, von der Bildverarbeitungstechnologie, mit der es sichtbar gemacht wird, nicht unterstützt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn das Kodierungssystem (der Codec) nicht mehr unterstützt wird oder die Anzahl der Pixel des Bildes höher ist, als die Auflösung des Bildschirms oder des Computers, von dem es verarbeitet wird.
In diesem Fall kann die Technologie oder der Decoder manchmal noch versuchen, die Bilddaten zu "interpretieren". Dies hat zur Folge, dass der Träger, mit dem das Signal in ein Bild übersetzt wird, das schließlich angezeigte Bild beeinflusst und möglicherweise verformt.
Diese Achse fungiert als imaginäre Schwelle, die im Bereich der Rendering-Technologien existiert und signalisiert, dass einige Bilder gerendert werden können und andere nicht, und dass es auch einen Grenzbereich gibt, in dem das angezeigte Bild als mehrdeutige Interpretation existiert.

Arbeiten:
UCNV, Supercritical, Videoinstallation, 2019.

Neben den ‘normalen’ drei Zuständen – fest, flüssig oder gasförmig – kann Materie in einem vierten Zustand existieren, dem so genannten überkritischen, instabilen Zustand. Ein überkritischer Zustand wird nur unter bestimmten Wärme- und Druckbedingungen erreicht, bei denen die Materie sowohl die Eigenschaften einer Flüssigkeit als auch eines Gases annimmt. Während Wissenschaftler*innen daran forschen, wie man sich diesen besonderen Zustand zunutze machen kann, der z.B. als Lösungsmittel oder bei der Zersetzung giftiger Substanzen nützlich ist, konzentriert sich UCNV auf die Formalien des Phänomens. Supercritical zeigt eine gestreifte Fahne in mehreren Zuständen gleichzeitig; die Fahne ist ein Objekt, ein Bild dieses Objekts und eine Ansicht davon, wie der Monitor die Bilddaten auflöst. Alle diese Formen existieren gleichzeitig und evozieren einen „super- kritischen Zustand“ oder eine „vierte Form der Materie“.

Peter Edwards, Nova Drone, Interaktive Installation, 2012.

Novadrone ist ein analoger, experimenteller open source Klang- und Lichtsynthesizer, mit dem sich akustische Effekte erzeugen lassen, die von langsam ausklingendem Dröhnen bis hin zu chaotischen Harmoniefolgen reichen. In Kombination mit der Videokamera eines Mobiltelefons funktioniert das LED-Licht auf der Oberseite des Nova Drone auch als Generator visueller Muster, da die Bildwiederholrate der Videokamera des Telefons und die Lichtquelle (eine hochfrequent blinkende LED) des Nova Drone nicht synchronisiert werden können. Diese Muster sind als „Rolling- Shutter-Effekt“ bekannt, ein Artefakt, das auf die technischen Eigenschaften des Bildsensors zurückzuführen ist. Technisch gesehen belichtet der Bildsensor des Telefons die Linien auf seiner „Datenfläche“ zu unterschiedlichen Zeiten, wenn eine ausgelesene „Welle“ durch ihn hindurchfegt. Das hochfrequente Blinken der LED auf der Nova Drone in Kombination mit der schritt- weisen Belichtung des Bildsensors führt zu einem endgültigen zusammengesetzten Bild, das aus Lichtbandartefakten besteht, die sich auf dem Display des Kamerahandys auflösen.

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grüne Achse
images based on speculation, dis/belief or imagination
Bilder, die auf Spekulation, Unglauben oder Imagination beruhen

Während einige Bilder als Beweise, mit "hoher Akutanz" oder als wahrheitsgetreu präsentiert werden, sind die Prozesse, durch die sie produziert wurden, in Wirklichkeit mit Werten, Voreingenommenheit oder sogar fehlerhaften Interpretationen behaftet. Denken Sie zum Beispiel an das Bild des Schattens eines schwarzen Lochs, das aus einem Haufen wissenschaftlicher RAW-Daten erstellt, dann aber durch künstliche Farbgebung verbessert wurde. Oder die Basiskarte des Planeten Erde, die von Google Maps verwendet wird, die wolkenfrei ist, während sie von uneinheitlichen Schatten bevölkert wird.

Arbeiten:
Susan Schuppli, Can the Sun lie? Video, 2014-2015

Can the sun lie? fragte ein US-Gericht im Jahr 1886, als es über den Beweiswert neuer Formen technisch erzeugter Bilder, insbesondere Fotografien und Film, befand. Diese mittlerweile historische Frage wurde konzeptionell wiederbelebt, als indigene Völker im kanadischen Norden öffentlich behaupteten, dass die arktische Sonne mittlerweile viele Kilometer weiter westlich untergeht – eine Behauptung, die seither von Wissenschaftler*innen bestätigt wird: Untersuchungen zeigen, dass sich durch thermische Inversionen und die globale Erwärmung eine veränderte Optik des Polareises ergibt. Das Video setzt sich mit der Entstehung eines durch den Klimawandel hervorgerufenen neuen visuellen Regimes auseinander und zeichnet den Streit zwischen Laien- wissen und wissenschaftlicher Expertise nach, der auf der COP15 (United Nations Climate Change Conference) in Bezug auf diesen Sonnenstreit aufkam.
Susan Schuppli ist eine in Großbritannien lebende Forscherin und Künstlerin, die in ihrer Arbeit materielle Beweise von Kriegen und Konflikten bis hin zu Umweltkatastrophen und Klimawandel untersucht. Ihre aktuelle Arbeit konzentriert sich auf Eiskernforschung und die Politik der Kälte.

Sasha Engelmann & Sophie Dyer, Open Weather, Installation & Workshop, 2020-2021

Open-weather ist ein Experiment zur Bildgebung und unserer Vorstellung der Erde und ihrer Wettersysteme. Es wurde von der Designerin und Aktivistin Sophie Dyer und der kreativen Geografin Sasha Engelmann im April 2020 gegründet und umfasst eine Reihe von Anleitungen, kritischen Rahmenwerken und öffentlichen Workshops zum Empfangen von Satellitenbildern mit kostenloser oder kostengünstiger Amateur*innenfunktechnologie. Wir sind es gewohnt, den Globus als eine einheitliche Karte zu verstehen – so wie es etwa Google Earth vorschlägt. Doch wie Ingrid Burrington in „Forever Noon on a Cloudless Day“ (2017) zeigt, ist Googles Basiskarte voller Ungereimtheiten und Unschärfen. Sie blendet die Wolken, Wettersysteme und Elemente der Erdatmosphäre aus. Googles glattes, nahtloses Bild des Planeten ist ebenso ungenau wie unmöglich: Es zeigt uns nicht die Fehler, Bereinigungen und Kompromisse, die notwendig sind, damit ein solches Bild überhaupt existieren kann. Open-weather stellt den Körper als situierte Technologie in den Vordergrund und versucht die dominierenden Strukturen und Narrative, die mit dem Sammeln von und dem Zugang zu Umweltdaten verbunden sind, zu kartieren und mit alternativen Vorstellungen zu Wetter, jenseits des Metereologischen, herauszufordern. Im Rahmen des im/possible images Projekts tragen Sophie Dyer und Sasha Engelmann eine Installation und einen open-weather Workshop bei. Die ‚Impossible Weather Station‘ öffnet einen Raum zur Produktion von Gegenbildern des Wetters, die die Unmöglichkeit sowohl der zeitgenössischen Wettervorhersagen als auch der Optik von Google Earth demonstrieren. Im Workshop lernen Teilnehmer*innen, wie sie ihre eigenen DIY-Satelliten-Bodenstationen aufbauen und betreiben können, um Übertragungen von NOAA-Wettersatelliten zu erfassen und zu entschlüsseln.

Rosa Menkman, Whiteout, Video (15 Min.), 2020

In Whiteout erzählt Rosa Menkman die Geschichte einer anstrengenden Bergwanderung während eines Schneesturms. Auf dem Weg nach oben erlebt sie einen Verlust ihrer körperlichen Empfindungen. Dieser führt zu einem Verlust des Sehens, Hörens und der Orientierung sowie zugleich einem Gefühl der Übersättigung. Die räumlichen Dimensionen, die zu- nächst wie ausgelöscht schienen, werden dadurch auf neue, imaginative Weise zugänglich.

Ingrid Burrington "forever noon on a cloudless day", Zitat
NASA-Basiskarte der Erde, Ausdruck

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blaue Achse
chronologies of im ⁄ possibility
Chronologien des Un ⁄ Möglichen

Technisch gesehen könnte das, was einst möglich war, unmöglich werden, während einige Bilder, die heute unmöglich sind, in der Zukunft möglich werden könnten. Diese Achse fungiert als Zeitachse, auf der sich einige Bilder vom Möglichen zum Unmöglichen bewegen und umgekehrt.

Dokumentation:
Röntgen, Röntgenaufnahme, Druck, 1896
NASA Voyager / Carl Sagan, pale blue dot, 1990 
Medipix, Spektroskopisches Röntgen, 2018

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gelbe Achse
new complexities and humanly un ⁄ readable images
Neue Komplexität und für den Menschen un ⁄ lesbare Bilder

Mit der Einführung von Simulationstechnologien, zu denen heute auch KI und Algorithmen für maschinelles Lernen gehören, hat sich der Raum für latente Bilder erweitert. Bilder beruhen nicht mehr nur auf dem aufgenommenen Objekt, dem Aufnahmegerät und seiner Darstellungsweise, sondern auch auf intelligenten Prozessen, die nun jeden Schritt der Bildverarbeitung verkomplizieren.
Infolgedessen werden Bilder nicht mehr nur als Beweismittel oder zur Veranschaulichung und Erklärung verwendet, sondern auch zur Vorhersage und Erforschung von Szenarien, die zuvor nicht zugänglich oder gar denkbar waren. Darüber hinaus haben sich die Bildverarbeitungstechnologien auf Produktionsräume ausgedehnt, die zuvor undenkbar und unerkennbar waren.

Arbeiten:
Alan Warburton, RGB FAQ, Videoessay (27:38 min), 2020

In RGBFAQ geht Warburton der Frage nach, ob die virtuelle Welt so clean und stabil ist, wie wir gemeinhin annehmen. Er katalogisiert sorgfältig die Hacks, die verwendet wurden, um die Grundlagen simulierter Welten zu schaffen, und zeigt auf, dass die Lösungen der frühen Computergrafik nicht unbedingt geeignete Grundlagen einer weiteren Generation von Technologien sind. RGBFAQ dekonstruiert das, was wir herkömmlich für ‚das digitale oder computergenerierte Bild‘ halten, und liefert uns stattdessen ein weitaus unvorhersehbareres, farbenfroheres Konzept des ‚explodierten Bildes‘. Diese Art des Bildproduktion hat ihren Ursprung in der trickreichen Renderökonomie der frühen 2000er Jahre, wird aber, wie viele neue Technologien, für unvorhergesehene Anwendungen in Überwachungssystem, der Unterhaltung oder den Verhaltenswissenschaften genutzt.

Memo Akten, Learning to see: Gloomy Sunday, HD Video (3:02 min), 2017

In Learning to See: Gloomy Sunday blickt ein künstliches neuronales Netzwerk auf die Welt hinaus und versucht aus dem was es sieht Sinn zu generieren. Aber es kann nur durch den Filter dessen sehen, was es bereits weiß. Genau wie wir. Denn auch wir sehen die Dinge nicht so, wie sie sind, sondern so, wie wir sind.
In diesem Zusammenhang bezieht sich der Begriff Sehen sowohl auf die primäre Ebene der Wahrnehmung und die phänomenologische Erfahrung des Sehens als auch auf die sekundäre Ebene des kognitiven Akts der Bedeutungsgebung und der Konstruktion dessen, was wir für die Wahrheit halten. Learning to See ist eine fortlaufende Serie von Arbeiten, die Algorithmen des maschinellen Lernens nutzen, um über uns selbst nachzudenken und darüber, wie wir Sinn generieren. Das Bild, das unser Verstand als Spiegelbild der äußeren Welt wahr- nimmt, ist eigentlich eine Rekonstruktionen unserer Erwartungen und früherer Erfahrungen.

Rosa Menkman, The hologram rose, (4:30 min), 2021

Von der geschredderten Seite eines Hologramms aus kann man in die Delta-Achse eines 3D-Objekts blicken. Aus dieser Perspektive sind die Render-Objekte des Hologramms sichtbar, in denen die geschichteten Informationen, die Metadaten über die Herkunft des Hologramms, gespeichert sind, die das unversehrte Hologramm niemals preisgegeben hätte. Das geschredderte Hologramm der Rose wurde direkt vom Konzept des ‘explodierten Bildes’ von Alan Warburton und seiner Arbeit RGBFAQ inspiriert und für die von Rick Silva kuratierte Ausstellung Hologram Rose erstellt. Die Ausstellung bezieht sich auf William Gibsons gleichnamige erste Kurzgeschichte von 1977 und wurde im Juni 2021 auf der Feral File online Plattform eröffnet. Die Feral File Plattform bietet digitale Kunstwerke als NFTs zum Verkauf an – eine Technologie, die sich im Jahr 2021 etabliert hat und aktuell dabei ist einen neuen, sekundären Kunst- markt zu schaffen. Mit ihrem Video und ihrer Teilnahme in der Ausstellung sah Rosa Menkman eine Gelegenheit, praktische Kritik an NFTs zu üben.