Did you eat today? – 1. Ausgabe

 

Mit Arbeiten von Moza Almatrooshi, Michael & Chiyan Ho, Inês Neto dos Santos & Bella Riza und einer Aktivierung von Anna Pasco Bolta mit der Unterstützung von Loqma Churros, München sowie von stray coffee roasters 

Nahrungsmittel, Rezepte, Küchen und ihr lokales Angebot prägen unsere Lebensräume. Sie erzählen weitaus mehr über gesellschaftliche Räume, in denen wir sie verorten oder mit denen wir sie in Verbindung bringen. Im ersten Teil von “Did you eat today?” präsentieren wir Videoarbeiten, die interkulturelle Bezüge und Traditionen sowie Spuren von Geschichte(n) hinterfragen, die Speisen und ihrer Zubereitung innewohnen. 

Im Eckimbiss werden am 22.11. ab 19 Uhr Churros mit Trinkschokolade gereicht. Der Ursprung von Churros ist nicht ganz eindeutig: Es gibt Hinweise darauf, dass sie sowohl als salzige Version über China nach Europa kamen als auch, dass sie aus der ägyptischen und nordafrikanischen Küche stammen. Mit dem Beginn der Kolonialisierung erreichten sie als Süßspeise Mittel- und Südamerika. 

Gezeigte Werke:

Moza Almatrooshi
Staff of Life, 2021.Video, Farbe, Ton mit Untertitel, 5:21 Min

Im Arabischen ist Brot ein Synonym für Leben. „Staff of Life“ zeigt den Arbeitstag in einer Bäckerei, die ihre eigene Version von westlichem Gebäck herstellt. Der Film verknüpft den Prozess der Teigherstellung auf der visuellen Ebene mit einer Erzählung zu menschlicher Widerstandsfähigkeit und dem Versuch, unter harten Bedingungen Erfüllung und Selbstverwirklichung zu erreichen. Die Sprachen im Film wechseln zwischen Arabisch, Farsi und Urdu. Die drei Sprachen teilen eine gemeinsame Historie und beeinflussen sich gegenseitig in der Kunst, der Literatur, den Religionen und Wissenschaften, teilen aber auch Geschichten von Gewalt und Kolonialisierung. Die Erzähler*innen schließen nahtlos an das an, was ihr*e Vorredner*in sagen, spielen mit sprachlichen Gemeinsamkeiten und Unterschieden und setzen dabei akzentuierte melodische Töne der jeweiligen Sprachen. So verweisen sie auf die jeweilige Poetik ihrer gesprochenen Worte. Das westliche Gebäck stellt hier einen Standard dar, dem die Bäcker*innen versuchen gerecht zu werden, wobei ihre Hände eine eigene Erzählung beginnen. Aus dem  formlosen, großen Volumen des Teiges entsteht eine Vielzahl an süßen Kreationen.

Moza Almatrooshi
Glaze, 2020. Video, Farbe, Ton mit Untertitel, 34:15 Min. 

Der Einfluss des historischen Handels mit südasiatischen Ländern sowie die Abhängigkeit von ausländischen Arbeitskräften während der Modernisierung des Arabischen Golfs haben bis in die Gegenwart hinein physische, wirtschaftliche und soziale Hybride hervorgebracht, die auch die kulturellen Erzeugnisse prägen. In „Glaze“ werden verschiedene Orte in Sharjah, in den Vereinigten Arabischen Emiraten, porträtiert, die sich auf die Herstellung von Süßspeisen spezialisiert haben. Es sind alltägliche Räume, Objekte und Handlungen zu sehen. Indem Süßspeisen in den Mittelpunkt gesetzt werden, können Verbindungslinien zu verschiedenen Bedeutungen von Süßem hergestellt werden. Zucker taucht aufgrund seiner historischen Konnotationen mit versklavter Arbeit, kolonialem Unternehmertum und Klassenzugehörigkeit sowie als verteufeltes Gesundheitsrisiko und Quelle ‚sündiger‘ Versuchung und Genuss immer wieder in unterschiedlichen problematischen Zusammenhängen auf.

Michael & Chiyan Ho
Lucky House, 2021. Video, Farbe, Ton mit Untertitel, 4:23 Min. 

„Lucky House“ befasst sich mit der chinesischen Diaspora und schildert das Leben einer Einwanderin der zweiten Generation. Die Videoarbeit schildert die Ereignisse in einem chinesischen Imbiss in Großbritannien, der ihrem Vater gehört. Die Geschichte entfaltet sich durch einen inneren Monolog, der über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der von Yen Guo gespielten Protagonistin reflektiert. Die hybride Natur des Imbisses und seine Anpassung an eine westlichere Essens-Palette, wie z.B. das Servieren von Fish & Chips, dient als Analogie und Reflexion ihrer eigenen Identität. Der kulturelle Konflikt wird stilistisch durch die Untertitel in Chinesisch und Englisch verstärkt, die die Erzählung während des gesamten Films unterstützen und auf Momente des kulturellen (Miss)verhältnisses hinweisen. Die zweite Hälfte des Films ist in rotes Licht getaucht, eine Farbe, die in der chinesischen Kultur Wohlstand und Glück symbolisiert. Die rote Symbolik, die auf ihre Träume und Bestrebungen anspielt, wird in einer Tanzsequenz umgesetzt, die einen Moment des ‚Werdens‘ offenbart.

Inês Neto dos Santos & Bella Riza
Beans, Rinsed Twice, 2021. Video, Farbe, Ton mit Untertitel, 14:22 Min. 

„Beans, Rinsed Twice“ geht den Erzählungen, Erinnerungen und Rezepten nach, die in einer Bohne stecken können. Wie viele Geschichten kann ein Rezept erzählen? Und wem gehören sie?

Durch die persönliche und historische Symbolik dieser Bohne und dem Prozess ihres Anbaus, der Ernte und Zubereitung bewegt sich der Film von Inês Neto dos Santos & Bella Riza zwischen den Erinnerungen der beiden Kollaborateurinnen – in all ihren tatsächlichen und erfundenen Dimensionen – erweitert um die Annahme, dass wir verschiedene Orte in uns tragen, schlummerndes Wissen sowie eine mögliche gemeinsame Sprache der Fürsorge.

 

 

Referenz Projekt/e
Did you eat today? beschäftigt sich mit Esskulturen und Speisen als einem (im)materiellem Kulturgut, Ernährungspolitik, der Lebensmittelproduktion und -distribution, dem Landwirtschaften sowie mit subjektiven und kulturellen Geschichte(n), Spuren und Erinnerungen…
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