undeniably some sort of

 

6.5.—11.5.2022

format

Soundinstallation

termine

06.05.22, 16 – 21 Uhr, geöffnet

07.05.22, 14 – 19 Uhr, geöffnet

08.05.22, 14 – 19 Uhr, geöffnet

10.05.22, 14 – 19 Uhr, geöffnet

11.05.22, 14 – 19 Uhr, geöffnet

lokal [vorne]

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geschlossen

undeniably some sort of ist eine raumgreifende Soundinstallation von Jakob Braito und Maria Margolina, in der Schwellenzustände audio-visuell erforscht werden. Mittels Referenzen aus der Internet culture machen die Künstler*innen zeitaktuelle Praktiken der Realitätsflucht atmosphärisch erfahrbar. Für die ortspezifische Arbeit nutzen sie die liminalen Strukturen des Lothringer 13 lokals; umrissen wird eine Gegenwart des Übergangs.

Losgelöst von Kontext und Sinn verlieren wir langsam unsere Identität. In einem Bedürfnis der Verortung suchen wir nach Halt in einer Gesellschaft, der es chronisch an Neuem mangelt und doch Neuerung als Antwort bereithält. Schwelgen wir in Erinnerung an unsere notorische Zukunft?


Liminalität als Symptom einer unbestimmten Gegenwart
undeniably some sort of von Jakob Braito und Maria Margolina, 2022
Text von Mareike Schwarz

Haltlos in einer Gegenwart, deren Zukunft verloren ist. Auf der Suche nach Sinn im Spektrum scheinbar unbegrenzter Möglichkeiten, deren Widerhall in endzeitlosen Interieurs ohne Menschen erklingt. Soundversatzstücke, die Reminiszenzen an Genres vergangener Jahrzehnte birgt. Die unmittelbare Zukunft zeichnet sich destabilisiert in der Gegenwart ab.

Diesen diffusen Zustand des Dazwischen macht die raumgreifende 4-Kanal-Soundinstallation undeniably some sort of von Jakob Braito und Maria Margolina erfahrbar. Dazwischen-Sein oder Liminalität (Victor Turner 1967, Paul Stenner 2017) beschreibt einen Übergangs- oder Schwellenzustand in der menschlichen Entwicklung. Ausgehend von dem Lothringer 13 Ladenlokal zwischen Präsentations- und Aufenthaltsraum schaffen die Künstler:innen ein audio-visuelles Setting, das liminale Zonen räumlich und zeitlich untersucht.

In gelbes Licht getaucht, erwartet die Besuchenden eine erste Schwelle vor dem Eintritt.
Im Ladenlokal steht eine Wartebank, wie sie üblicherweise an Transiträumen vorkommen, verloren im Raum. Ihr verfremdetes Äußeres in undefinierbarem Grau erzeugt in Kombination mit abdunkelnden Lamellenvorhängen eine unheimliche Atmosphäre. Leere Bücherregale und Satzfragmente an den Wänden werden von ihrer Informationsfunktion entbunden. Bewusst nehmen die Künstler:innen Bezug auf digitale Communities, die liminales Bild- und Textmaterial sammeln: Die gelbe, menschenleere Büroästhetik verweist auf Backrooms; der unscharfe Fotodruck eines Himmels, dessen Aufnahmedatum jedoch nur die Default-Uhrzeit anzeigt, auf Weird- und Dreamcore. Die Referenzen der visuellen Raumgestaltung korrespondieren mit den Zwischentönen des Sounds.

Braito und Margolina verflechten und collagieren Field Recordings realer, „liminialer” Orte mit Soundproduktionen aus dem Studio. Hierfür setzen sie stilistische Mittel wie Sampling, Verlangsamung, Verzerrung oder Granular-Synthese ein. In unendlichen Loops wird das Klangstück ohne definiten Beginn über die vier Lautsprecher wiedergegeben.

Stagnierende, synthetische Klangflächen wechseln sich mit Sequenzen von dynamischer Steigerung und melodischer Kontur ab. Der immanente Eindruck changiert zwischen harmonischen Eskapismen und atmosphärischem Brüchen. Im Kontrast dazu erzeugen im Raum verstreute White Noise Maschinen entspannende Geräusche von zufälliger Klangmaterialität. Den immerwährenden Rückbezug, der sich im Klangstück in verfremdeten, für die Künstler:innen bedeutsamen Popsongs absetzt, identifizierte Mark Fisher in Gespenster meines Lebens. Depression, Hauntology und die verlorene Zukunft (2015) als Zeichen der Zeit: Popkulturelle Erzeugnisse werden im neoliberalen Innovationsdrangs des 21. Jahrhundert von der Vergangenheit heimgesucht.

Rekurrierend auf Fisher wird der Sound in der ortsspezifischen Arbeit von Braito und Margolina zum Beleg einer „verlorenen Zukunft“ zwischen Präsenz und Absenz.
Indem Liminalität über auditive und visuelle Fragmente (re)produziert wird, artikuliert 
undeniably some sort of ein Psychogramm der Gegenwart: Die Ästhetiken sind Symptome. Zerrissen vom Spannungsfeld zwischen Zugehörigkeitsbestreben und Individualitätsdruck sehnt sich eine heutige Generation nach Halt und sucht diesen just in einem haltlosen Raum der Erinnerung. Dementsprechend ist es unmöglich einen Moment oder die eigene Position im Rahmen der Soundinstallation zu verorten. Damit schaffen Jakob Braito und Maria Margolina ein Memento Mori dieser zeitaktuellen Paradoxie der Internet- und Popkultur.