Helin Alas, Bik Van der Pol, Viltė Bražiūnaitė & Tomas Sinkevičius, Barbara Kapusta, Robert Keil, Judith Neunhäuserer, Nina Radelfahr
dissolving matter & value widmet sich Übergängen von einem (materiellen) Zustand zu einem anderen und den dabei stattfindenden Prozessen von Wertsteigerung, Wertverlust und Verbrauch. Der Fokus liegt auf den normativen Annahmen und den sozialen Codierungen, die Werthaftes von Wertlosem trennen. Welche Verhältnisse zwischen Ökologie und Ökonomie, Geo- und Ego werden produziert? Was wird eingesetzt, um was zu erlangen? Was ist verfügbar? Was entsteht, wenn Wert vergeht?
What caused the damage?*
Wir extrahieren, beschleunigen, verdichten, verbrauchen und speisen neu generierte Substanzen, anfallende Reste und Rückstände in unser Ökosystem ein. Hinter abstrakten Zahlen, die verschwindende Waldflächen, Tonnen an freigesetztem CO2, steigende Wasserpegel oder den Rückgang der Biodiversität beziffern, steht nicht nur die kalte Rationalität eines enthemmten Wirtschaftshandelns. Das Konsumverhalten als wichtige Voraussetzung und Motor der Erzählung vom wirtschaftlichen Wachstum wird von Begehren, Sehnsüchten und Ängsten genährt. Wir kompensieren und projizieren individuelle und intersubjektive Zustände auf Konsumobjekte. Unter slicken Oberflächen der Industrieprodukte pulsiert der Strom der Rohstoffe, ihrer dreckigen Abbauprozesse und ihr von billiger Arbeit und Toxizität gesäumter Weg der Verarbeitung und Veredelung. Unter den glatten Oberflächen medialer Selbstdarstellung pulsiert auch Unruhe in den Subjektkonstruktionen, nicht zuletzt in Form von kognitiver Dissonanz zwischen dem Wissen über die negativen Folgen unseres Handelns und gleichzeitiger Kontinuität dieses Handelns.
Was ist notwendig?
Wie die Künstlerin und Theoretikerin Patricia Reed in ihrer Beschäftigung mit dem Begriff der Notwendigkeit darlegt, begründet sich diese vorwiegend relational und situativ. Als notwendig erachtet wird das, was sozial codiert als notwendig angesehen wird.** Was meinen wir also zu brauchen und was gebrauchen und verbrauchen wir dafür?
Wovon können wir uns lösen?
Die Positionen in der Ausstellung sind einer Verortung von Wert auf sehr unterschiedliche Weise assoziiert. Sie befragen, welche Weltbilder und epistemischen Systeme unser Verhältnis zu Welt strukturieren oder verweisen auf den Zusammenhang zwischen symbolischem Kapital, Ästhetik und Warenförmigkeit in einer hyperindivisualisierten Gegenwart. Als variierendes Motiv zieht sich das Fluide, das Fließende, das Uneindeutige, der Übergang durch die Ausstellung.
You feel like a global fluid*
Die Grenzziehungen zwischen wertlos und wertvoll verschwimmen und werden durchlässig. Der (negativ besetzte) Begriff der Abhängigkeit wird wichtig in seiner Auslegung als Wechselbeziehung, die unserem Ökosystem als Kernprinzip zugrunde liegt. Dem entgegen steht eine nach wie vor wirksame Erzählung von der permanenten „Verfügbarkeit“ von Welt mit ihren materiellen Ressourcen. Wie könnte die Bedeutung von Wert neu gedacht werden, wenn Wert nicht mehr dominant an wirtschaftlichen Erfolg und Wachstum gekoppelt wäre?
* Barbara Kapusta, „The Leaking Bodies“, 2020
** Patricia Reed, „The valuation of necessity. On the fabrication of alethic necessity in systems of ideology“ 2021
Kuratiert von Lisa Britzger (Ausstellung)
und Christina Maria Ruederer (Programm und Publikation)