From Animal to Mineral
Judith Adelmann, Rachel Fäth, Sophia Mainka, Hannah Mitterwallner, Jonathan Penca, Maria VMier
kuratiert von Magdalena Wisniowska
"Tiere" sind vor allem Wölfe, Ratten und Wespen. "Mineral" ist alles, was nicht wahrnehmbar ist: Elemente, Teilchen und Moleküle. Der Übergang vom Tier zum Mineral ist die Erfahrung des Werdens, des Überschreitens einer Schwelle, der Veränderung.
Ich begann meine Lektüre von Tausend Plateaus von Gilles Deleuze und Félix Guattari, insbesondere das Kapitel "1730: Intensivwerden, Tierwerden, Unwahrnehmbarwerden…" 1 während der Corona-Pandemie, als Umweltfragen in fast allen Medien diskutiert wurden. Den Platz des Menschen in der Natur zu definieren, schien eine zunehemend relevante Herausforderung und das Werk von Deleuze und Guattari war hilfreich, um die allzu einfache Unterscheidung zwischen Natur und Kultur zu thematisieren. Mir gefiel, wie sie die Dominanz unserer Spezies über andere als philosophisches Problem der Autonomie formulierten, in dem der Mensch als denkendes Wesen nur den Gesetzen seiner eigenen Konstruktion unterworfen ist. Für Deleuze und Guattari verleiht die Fähigkeit des bewussten Denkens dem Menschen eine Würde, die anderen Lebewesen vorenthalten wird, so dass ihre Stimmen ungehört bleiben.
In Tausend Plateaus hingegen wird die Natur als unendliche Variabilität dargestellt, als "das ganze tausendstimmige Vielfache" von Differenz und Wiederholung 2. Hier ist die Natur ein vielstimmiger Körper, in dem die Stimmen, aus denen dieser Körper besteht, in einem "Geschrei des Seins" widerhallen 3. In diesem Getöse ist meine Stimme eine unter vielen, und viele Stimmen erklingen in meiner. Für Deleuze und Guattari setzt eine Veränderung des kollektiven Verhältnisses des Menschen nicht nur zu den Tieren, sondern zur Erde selbst voraus, dass wir aufhören, nur unsere eigenen Stimmen zu hören und uns des Lärms der anderen bewusst werden. Das ist die Erfahrung des Tierisch-Werdens, des Unwahrnehmbar-Werdens. Wir müssen den Mantel des Menschen ablegen und lernen zuzuhören, die Stimme der Vielen zu werden.
Seit 2021 realisierte ich eine Reihe von Ausstellungen anverschiedenen Orten als Antwort auf verschiedene Aspekte dieses Kapitels von Tausend Plateaus, seien es die darin entwickelten Vorstellungen von Natur, Technologie oder Erinnerung. Die Ausstellung in der Lothringer 13 Halle setzt sich nun direkt mit der Idee des Werdens auseinander, insbesondere mit unserer Beziehung zur Natur. Die an der Ausstellung beteiligten Künstler*innen teilen auf unterschiedliche Weise dieses Anliegen; viele von ihnen im Bewusstsein, im Zeitalter des Anthropozäns zu arbeiten, in dem der Einfluss des Menschen auf den Planeten nicht mehr zu leugnen ist.
Ihrer Sammlung von Stimmen füge ich meine eigene hinzu, die der Schriftstellerin. Im Raum verteilt finden sich Texte, die ich während der letzten Jahren als Antwort auf das Kapitel über das Werden von Deleuze und Guattari schrieb. Sie stehen in Resonanz mit den Kunstwerken, und die Kunst bewohnt den Text. Die Ausstellung ist ein Experiment zur Konstruktion einer vielstimmigen Population, eines Wolfsrudels, eines Rattenvolkes.
Magdalena Wisniowska, November 2023
1) Deleuze, Gilles and Guattari, Félix, A Thousand Plateaus, trans. Brian Massumi, (Minneapolis, London: University of Minesota Press, 2005).
2) Deleuze, Gilles, Difference and Repetition, trans. Paul Patton (New York: Columbia University Press, 1994), 304.
3) Ebd..